Naturkundliche Winterwanderung 2020
Am 16. Februar 2020 trafen sich 27 naturinteressierte Wanderer am Gereuthau-Parkplatz am oberen Ende des Echaztobels zwischen Engstingen und Genkingen. Forstdirektor i. R. Werner Goerlich führte uns bei wechselhaftem Wetter zunächst nach Süden durch das NSG Gereuthau. Dieses bereits seit 1938 unter Schutz stehende Gebiet der Kuppenalb ist eine alte Weidelandschaft mit Hutebuchen, Wacholderheiden und Mähwiesen.
Links und rechts des Weges sehen wir kleine Hügel in den Wiesen. Sie sind aber unterschiedlichen Ursprungs: Die östliche Wiese wird seit langem beweidet und/oder gemäht. Hier haben sich Maulwürfe angesiedelt, die im Boden Gänge graben und den "Aushub" als kleine Erdhügel zurücklassen. Durch die jahrhundertelange Nutzung an den Hängen verarmen die oberflächlichen Bodenschichten an Nährstoffen und versauern.
Deshalb kann man hier Fichten und das eigentlich Kalk meidende Heidekraut (Calluna vulgaris, Ericaceae) finden, dass aber nicht zur Blüte kommt. Das Heidekraut kann sich durch Triebe, die Wurzeln bilden, auch vegetativ vermehren. Auf der anderen Seite des Weges bleibt die Wiese ungenutzt und die Hügel entstehen durch Ameisen, die ihre Nester in der Erde anlegen und darüber sehr feinkörnigen Aushub abladen. Mit der Zeit siedeln sich Gräser auf den Ameisenhügeln an. Die Ameisen versuchen zwar, ihre Hügel von Bewuchs freizuhalten. Insbesondere die Südseite halten sie im Sommer frei von Pflanzen, so dass sich die Erde erwärmt und die Larven und Puppen sich schneller entwickeln können. Irgendwann jedoch wird die „Gartenarbeit“ für die Ameisen zu aufwändig und sie verlassen den Hügel und beziehen ein neues Nest.
Kurz vor dem Waldrand steht eine Gruppe großer alter Linden um einen Tümpel. Hier handelt es sich um eine Hüle, die ausgepflastert wurde, damit sich das Wasser besser hält (siehe Bild). Diese Hüle diente als Schaftränke.
Im Wald biegen wir nach Westen und Nordwesten ab und steigen auf den felsigen Gipfel des Hohenbuch auf 855 m. Unterwegs fällt am Weg schwarz verfärbte Erde auf, die von der früher auf der Alb weit verbreiteten Köhlerei stammt. Nur mit Holzkohle konnten die hohen Temperaturen erreicht werden, um aus den Bohnerzen der Schwäbischen Alb das Eisen gewinnen zu können.
Außerdem stehen am Rand eines dichten Fichtenbestands alte Douglasien (Pseudotsuga menziesii, Pinaceae), die vor Jahrzehnten gepflanzt wurden, um ihre Eignung als Waldbaum auf der Alb zu testen. Douglasien wachsen schnell und können höher werden als Weißtannen. Weißtannen benötigen jedoch mehr Wasser als Douglasien und finden sich auf der Alb deshalb v. a. in feuchten Mulden oder in Bereichen mit mehr als 800 mm Niederschlag. Hier befindet sich auch die ehemalige Verbindungsstraße zwischen Großengstingen und Undingen, die heute ein Forstweg ist. Die Grenze zwischen dem Staatswald und dem Gemeindewald von Undingen wurde früher durch einen Graben markiert, der an einigen Stellen am Weg noch erkennbar ist.
Der Gipfel des Hohenbuch auf 855 m ü NN ist durch freierodierte, aber baumbestandene Kalkfelsen erkennbar. Hier legen wir einen erste Rast mit Blick Richtung Undingen ein.
Beim Abstieg Richtung Norden ist rechts am Weg eine Senke erkennbar, in die bereits in der letzten Eiszeit der Wind Schnee und Löss eingeblasen hat. Dies führt einerseits zu guten Böden und andererseits hielt sich der Schnee in solchen Firnmulden früher auch im Sommer, und hielt die Böden feucht.
Kurz bevor wir die Weidenwang-Doline, eine große, abflusslose Senke mit ca. 500 m Durchmesser, erreichen, kommen wir durch einen alten dichten Fichtenbestand (Picea abies, Pinaceae, siehe Bild), wo sehr viele Fichtenzapfen auf dem Boden liegen. Werner erklärt, dass viele Waldtiere wie Eichhörnchen, Fichtenkreuzschnabel u. a. die Samen aus den Zapfen auspuhlen und fressen. Dieser Bereich war früher eine Wiese, deren Nutzung aber wegen der großen Entfernung zum Ort aufgegeben wurde.
Im Zentrum der Doline auf ca. 786 m ü. NN sehen wir zahlreiche „verzwieselte“ Fichten, denen als Jungbäume der zentrale Trieb durch Spätfröste erfroren ist. In klaren Nächten kann sich auch im Frühjahr und Sommer (eis)kalte Luft im Zentrum der Doline ansammeln. Die Fichten treiben dann aus Seitenknospen nach und wenn sie überleben, können sich alte Bäume mit mehreren, etwa gleichstarken Stämmen bilden. An der Wetterstation, die hier seit vielen Jahren betrieben wird, können wir lesen, dass die tiefste bisher gemessene Temperatur bei -43°C lag und auch im Sommer Bodenfröste häufig vorkommen. Damit war diese Wetterstation zeitweilig der „Kältepol“ Deutschlands. Einige Schritte weiter befindet sich ein „Schluckloch“, eine trichterförmige steile Vertiefung von etwa 10m Durchmesser, in die bei Regen ein kleiner Bach fließt. Das Wasser verschwindet dann im Untergrund und fließt in den Karstklüften heute Richtung Echazquelle und damit in die Nordsee. Während der Eiszeiten floss das Wasser von hier in die Lauchert und damit Richtung Donau und Schwarzes Meer. In der Umgebung gibt es weitere Schächte.
Von der Doline ist es nicht mehr weit zum Nordostrand des Undinger Golfplatzes, wo wir bei angenehmem Sonnenschein eine weitere Vesperpause einlegen. Danach wenden wir uns wieder nach Nordosten. Am Eichberg entlang kommen wir an der Wilhelmshütte vorbei, die 1901 erbaut wurde.
Auf dem Waldboden steht viel Haselwurz (Asarum europaeum, Aristolochiaceae) mit den typischen nierenförmigen, dunkelgrün-glänzenden winterharten Blättern. Da sie am liebsten auf kalkhaltigen Lehmböden steht, ist sie auf der Alb häufig. Die unter den Blättern gut versteckten Blütenknospen sind kurz davor, sich zu öffnen. Die Blüten werden von Insekten wie Pilzmücken bestäubt und schmecken wie die Früchte nach Pfeffer und wurden früher entsprechend genutzt. Das Asaron, ein ätherisches Öl, das den Pfeffergeruch und -geschmack hervorruft, ist aber in höheren Dosen giftig.
Weiter östlich treffen wir im Gewann Ochsengarten in einem Buchenjungbestand auf zahlreiche kleine Dolomitsandgruben. Der hier abgebaute Sand wurde früher u. a. als Stubensand benutzt. Er wurde in den „guten Stuben“ der Bauernhäuser auf die Bodendielen gestreut und hatte beim Ausfegen einen reinigenden und schmirgelnden Effekt.
Hier finden wir auch die Blätter/Horste der Rasenschmiele (Deschampsia caespitosa, Poaceae), die feuchte Standorte bevorzugt. Ihre Blätter weisen auf der Oberseite sieben ausgeprägte Längsrippen auf, wodurch im Durchlicht ein gestreifter Eindruck entsteht. Deshalb wird diese Art auch als "Notenliniengras" oder "Stresemanngras" bezeichnet. Der nach dem deutschen Staatsmann Gustav Stresemann benannte "Stresemann-Anzug" zeichnet sich durch eine fein schwarz und grau gestreifte Hose aus.
In feuchten Bereichen am Weg steht auch die Waldsegge (Carex sylvatica, Cyperaceae), die durch ihre charakteristischen, längs gefalteten Blätter gekennzeichnet ist.
Mit den sehr interessierten und z. T. fachkundigen Mitwanderern entwickeln sich immer wieder ausführliche Diskussionen und Gespräche, z. B. auch über die eingeführten und vereinzelt angepflanzten Weymouthskiefern (Pinus strobus, Pinaceae). An einem offenbar erst kürzlich vom Sturm gefällten Exemplar können wir die sehr langen, schlanken Nadeln und die stark riechenden und harzenden Zapfen aus der Nähe betrachten.
Nach ca. 8 km Wegstrecke und knapp 200 Höhenmetern und um viele Beobachtungen und Informationen reicher erreichen wir gegen 16 Uhr wieder den Parkplatz (siehe Karte).