„Kosten sind nicht zu vergleichen“

Leserbrief zu: Es wird heißer und teurer, Igor Steinle, 26.4.2023

Ulrike Selje  (BUND KV Reutlingen)

Veröffentlicht am 29.4.2023 in den Reutlinger Nachrichten

Nachdem der Journalist Igor Steinle in seinem Artikel „Es wird heißer und teurer“ die durch die Klimaerwärmung verursachten Wetterkatastrophen aufgelistet hat, fragt er nach dem Preis für das Bremsen der Erwärmung. Dabei stellt er fest, dass allein das „Heizungsgesetz“ von Habeck die Bürger 9 Milliarden Euro kosten wird. Die Kosten für die gesamte Energiewende belaufen sich laut Prognosen in Deutschland bis 2050 auf 500 bis 3000 Milliarden Euro. Anschließend vergleicht Steinle diese Kosten mit den Schäden durch die Klimaerwärmung und stellt fest, dass sie mit 280 bis 900 Milliarden Euro deutlich niedriger seien.  
Ich frage mich, wie kann man diese Kosten vergleichen? Und welche Schlussfolgerungen soll man daraus ziehen? Das eine sind Kosten für den Aufbau, für die Lösung vieler Probleme, für die Zukunft. Das andere sind Kosten durch Zerstörungen! Es ist vernichtetes Geld! Die teuren Reparaturen stellen nur das wieder her, was es vorher gab. Dabei weiß natürlich niemand, wie hoch diese Kosten wirklich sein werden. Das hängt von dem Ausmaß der Zerstörungen ab, und von dem, was wieder aufgebaut wird. Nicht „einberechnet“ in die Kosten sind Tausende Menschen und Tiere, die sterben werden, vertrocknete und verbrannte Wälder und immense Ernteverluste. Allein im trockenheißen Sommer 2003 gab es in Deutschland über 1000 Hitzetote. Nicht eingerechnet sind die körperlichen und seelischen Verletzungen und die Ängste, die die Menschen ihr Leben lang verfolgen. All diese Kosten kann niemand berechnen oder bezahlen. Nicht eingerechnet ist der Hunger, der auch uns in Europa nicht verschonen wird, weil sich durch die weltweit zunehmende Trockenheit die Ernteverluste häufen. Sicherlich, wir können uns Lebensmittel auf dem Weltmarkt kaufen, doch das treibt die Preise hoch und verursacht noch mehr Hunger in Ländern, wo die Menschen wegen Armut sowieso schon hungern müssen. Auch in Deutschland werden die Preise steigen.
Doch nehmen wir einmal, so wie es Herr Steinle tut, nur die Reparaturen der materiellen Schäden in die Rechnung auf. Die Kosten werden auf 900 Milliarden Euro steigen. Und dann? Dann machen wir so weiter wie bisher? Und warten auf die nächsten Wetterkatastrophen? Oder investieren wir dann endlich genügend Geld in die Energiewende? Preiswerter ist es bis dahin nicht geworden.
Schon 2011 hatte der Klimaexperte Prof. Dr. Schellnhuber prognostiziert, je länger wir mit Klimaschutzmaßnahmen warten, umso teurer werden sie, denn dann drängen sich die notwendigen Kosten immer enger zusammen. Trotzdem hatte die Politik viel zu wenig getan. Und so wird es bleiben, hört man auf FDP und Unionspolitiker. Sie sind der Meinung, wir hätten noch immer Jahre Zeit. Doch dann tritt das ein, was der ehemalige Chefökonom der Weltbank, Sir Niclas Stern, schon 2006 in der von ihm geleiteten Studie vorhergesagt hatte: Die Folgen der Klimaerwärmung wirken sich aus wie die Folgen eines Weltkriegs oder schlimmer, denn Stürmen, Hochwasser, Dürren, Feuer und dem Anstieg des Meeresspiegels kann die Menschheit nichts entgegensetzen. Sir Niclas Stern drängte schon 2006, dass wir in die Zukunft investieren müssten, um den Wohlstand, wie wir ihn kennen, zu erhalten.
Igor Steinle schlägt nun einen CO2-Preis vor, um die Klimaerwärmung zu bremsen.  Den priorisiert auch die FDP, wie man auf ihrer Homepage nachlesen kann. Sie gehen davon aus, dass es der Markt schon richten wird. Doch das kann täuschen, denn der Markt strebt keine gesunde Umwelt an, sondern steigende Gewinne. Das hat zur Folge, dass Unternehmen, die in den Kampf gegen die Klimaerwärmung mehr investieren als andere, Gefahr laufen, von Konkurrenten aus dem Markt gedrängt zu werden. Auch bevorzugt ein CO2-Preis die Wohlhabenden und es dauert lange, bis er überhaupt wirkt.
Wirtschaftsminister Robert Habeck will, zusätzlich zu dem bereits bestehenden EU-CO2-Preis, das Heizungsgesetz auf den Weg bringen, um den Klimaschutz gezielter zu machen und zu beschleunigen.
Das begrüßen viele UnternehmerInnen, denn sie brauchen endlich Planungssicherheit. Nun erweitern deutsche Heizungsbauer ihre Produktionskapazitäten. Der Marktführer Viessmann hat sogar seine Wärmepumpensparte an ein US-amerikanisches Unternehmen verkauft, um finanzkräftiger für die Zukunft gerüstet zu sein.
Doch gleichzeitig wird in der Bevölkerung die Angst vor einer teuren Wärmepumpe geschürt. Selbst vor der Verbreitung von Lügen wird nicht zurückgeschreckt.
Fachleute kommen gegen diese, von dubiosen Medien verbreitete Meinung, nur schwer an, obwohl sie sich einig sind, dass die Wärmepumpe die Heizung der Zukunft ist. Sie ist klimaneutral, mit einem Wirkungsgrad von mindestens 300 % sehr effizient und hat niedrige Betriebskosten. Das gilt für die neueingebaute Gasheizung nicht, egal mit was sie geheizt wird: mit LNG, mit Frackinggas oder mit Wasserstoff. Biogas steht nicht in ausreichenden Mengen zur Verfügung, um alle Gasheizungen zu bedienen.

Ulrike Selje, Reutlingen

 

[Wir möchten die Leserbriefe von Ulrike Selje, Mitglied des BUND, veröffentlichen. Sie können sich im Wortlaut von den in der Zeitung veröffentlichten Leserbriefen leicht unterscheiden.
Grund: Die Texte, die Ulrike Selje an die Zeitung geschickt hat, wurden von der Redaktion überarbeitet. Dadurch unterscheidet sich der Wortlaut der Originaltexte von den veröffentlichten Leserbriefen. Der Inhalt ist dabei gleichgeblieben. Da uns nur die Texte von Ulrike Selje als Datei vorliegen, müssten wir, um hier den genauen Wortlaut der Leserbriefe aus der Zeitung wiederzugeben, alle Artikel Wort für Wort abtippen. Da sich dadurch am Inhalt nichts ändert, haben wir uns entschieden, hier die Originaltexte von Ulrike Selje einzufügen.]