„FDP hat sich umsonst verkämpft“

Zum Leserbrief: Heizungsgesetz – Bürger sollen mehr Zeit bekommen, Igor Steinle, 14.5.2023

Ulrike Selje  (BUND KV Reutlingen)

Veröffentlich in Reutlinger Nachrichten am 20.5.2023

Derzeit wird zum x-Mal der Entwurf des Gebäudeenergiegesetzes kritisiert, geändert und wieder veröffentlicht. Oftmals ging es um Forderungen, die bereits in dem Gesetz standen, oder um Kleinigkeiten, die in aller Ruhe zwischen den Koalitionspartnern hätten geregelt werden können. Jetzt verlangen SPD und FDP plötzlich die Verschiebung des Inkrafttretens, weil der Verband kommunaler Unternehmen mehr Vorbereitungszeit fordert. Dabei wird verschwiegen, dass im März 2022 alle drei Regierungsparteien gemeinsam die Vorverlegung des Gesetzes von 2025 auf 2024 beschlossen hatten.  
Tritt das Gebäudeenergiegesetz später als 2024 in Kraft, dann haben Bürger mehr Zeit für Informationen und Beratung. Doch gleichzeitig liegen auch zahlreichen Hilfspakete auf Eis. Auch die Zahl neu gekaufter Gas- und Ölheizungen steigt, aus Angst vor dem Unbekannten, der Wärmepumpe. Das ist gut für die Lieferanten von fossil betriebenen Heizungen, da sie ihre Lager räumen können. Fachleute raten dagegen von dem schnellen Kauf ab. Wer jetzt nur den Verkaufspreis der Heizsysteme vergleicht und die zukünftigen Betriebskosten außer Acht lässt, kann in eine richtige Kostenfalle geraten, denn unsere Erfahrungen aus der Vergangenheit können nicht auf die Zukunft übertragen werden.
Die Zeiten ändern sich. Während bisher die Zahl der Gaskunden immer weiter gestiegen war, sinkt sie nun, weil immer mehr Haushalte auf die Wärmepumpe umsteigen. Das könnte dazu führen, dass in einer Straße eine kaputte Gasleitung stillgelegt statt repariert wird. Die Kosten für die Reparatur sind für die noch verbliebenen Gaskunden zu hoch.
Niemand weiß, wie lange es sich für Unternehmen noch lohnt, fossile Brennstoffe herzustellen, mit ihnen zu handeln und sie zu liefern. Hinzu kommt die Unberechenbarkeit der Preise. Nachdem preiswertes, russisches Erdgas nicht mehr zur Verfügung steht, wird ein großer Teil als LNG mit Spezialtankern nach Deutschland transportiert. Um das Volumen für den Transport zu verringern, wird es komprimiert und dabei stark gekühlt. Das verteuert das Gas. Zusätzlich fällt Erdgas unter den EU-Zertifikatehandel. Der Preis für jede emittierte Tonne CO2 steigt jährlich an.
Heizungen können eine Lebensdauer von über 30 Jahren haben. Wer heute eine neue kauft, sollte daran denken, dass Deutschland 2045, also in 20 Jahren, klimaneutral sein will.  Spätestens ab dann wird es keine fossilen Brennstoffe mehr geben. Möglicherweise wird es schon vorher schwierig, sie zu bekommen, da die Nachfrage sinkt und es sich für immer weniger Unternehmen lohnt, sie anzubieten. Das gilt auch für die Herstellung von Ersatzteilen für Gas- und Ölheizungen. So könnten noch funktionstüchtige Heizung ausgetauscht werden müssen.
Trotzallem ist die FDP stolz darauf, dass es ihr angeblich gelang, den Kauf von Gasheizungen auch noch nach Inkrafttreten des Gesetzes zu ermöglichen. Sie glaubt, dass sie damit ihre Technologieoffenheit unter Beweis gestellt hätte. Dabei ist die Möglichkeit, Hybrid-Heizungen und H2-ready-Heizungen einzubauen, nicht neu. Allerdings raten viele Fachleute davon ab. Bei Hybrid-Heizungen muss die Gasheizung nach drei Jahren mit einer Heizung kombiniert werden, durch die die gesamte Heizanlage mit 65 Prozent CO2-freien Energien betrieben werden kann. Gedacht ist an Wärmepumpen, Solarheizungen, Biomasse und Biogas. Bei der H2-ready-Heizung darf eine Gasheizung nur eingebaut werden, wenn sie ab 2030 mit 50 Prozent Biogas, ab 2035 mit 65 und ab 2045 mit 100 Prozent Wasserstoff betrieben werden kann. Die Heizungskäufer müssen vor dem Einbau nachweisen, dass sie die Vorgaben einhalten können. Es ist selbstredend, dass die H2-Zuführleitungen von den Heizungsbesitzern bezahlt werden müssen, so wie es auch bei Gasleitungen der Fall ist. Ungewiss ist, ob 2035 genügend H2 für Haushalte zur Verfügung steht, denn der Bedarf der Industrie ist groß.
Wir leben in einer Zeit des Wandels. Wandel ist normal. Doch wer sich ihm verweigert und weiter an Altem hängt, wie an Atomkraftwerken mit der Dampfmaschine, an Verbrennerautos aus dem 20. Jahrhundert und an 50 Jahre alten Gasheizungen, ist nicht technologieoffen. Im Gegenteil. Das haben die deutschen Autobauern erfahren müssen, die zu lange auf den Verbrenner gesetzt haben. Nun haben sie alle Hände voll zu tun, um den Vorsprung der Chinesen, die schon lange e-Autos bauen, aufzuholen. Dass Verbrennerautos nun auch noch nach 2035 fahren dürfen, ist ihnen nicht wichtig. VW, Mercedes und Audi haben bereits abgewunken. E-Fuels sind viel zu teuer und können im Ausland nicht getankt werden. Manche der Autohersteller wollen bereits 2030 aus der Verbrennertechnik aussteigen. Die sich selbst ernannte technologieoffene FDP hat sich umsonst verkämpft.

Ulrike Selje, Reutlingen

 

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