»Grüne Lunge wirkt Überhitzung entgegen« von Ingrid Jakobi

Ingrid Jakobi  (BUND KV Reutlingen)

Zum Artikel »Wie der Kahlschlag verhindert werden kann« vom 21. April 2020

Veröffentlicht am 2. Mai 2020, GEA

Täuscht es, oder erleben wir gerade eine neue Nähe zur Natur? Nachdem uns die Nähe zueinander im Augenblick verwehrt ist. Neben den Parks und Grünbereichen in der Stadt zieht es die Leute in die eigenen Gärten; froh ist, wer über diese Annehmlichkeit verfügt. Aber uns dämmert allmählich, dass die vergangenen Wochen voller Sonne und strahlend blauem Himmel eine Kehrseite haben könnten: Steht uns womöglich der dritte trockene Sommer bevor?

Schon wird die Bevölkerung eindringlich gebeten, Bäume in ihrer Nachbarschaft zu wässern. Gärtner beklagen, dass junge Pflänzchen verkümmern, weil ihre Wurzeln nicht ans Grundwasser gelangen. Was wir an unserem gewachsenen Baumbestand haben, sei es in Privatgärten oder im öffentlichen städtischen Raum, konnten wir in den letzten beiden Hitze-Sommern erleben: Die grüne Lunge wirkt der Überhitzung der Innenstädte entgegen, spendet nachts Luftfeuchtigkeit und verbessert allgemein die Luftqualität. Bäume erlauben uns durchzuatmen. Wer möchte in einer Stadt ohne sie leben? Gleichzeitig lesen wir immer wieder von Baumfällaktionen; ihnen fallen nicht selten völlig gesunde, großkronige Exemplare zum Opfer.

Die gute Nachricht: Die Mitmenschen sind viel sensibler geworden und machen solche Vorkommnisse publik. Die bittere Pille: Eine Stadt wie Reutlingen hat keine Alternative als zu reagieren, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist. Deswegen wäre es ein Gebot der Stunde, wenn der Gemeinderat in seiner Sitzung im Mai eindeutig für eine Baumschutzsatzung votieren würde. Ein solches Instrument regelt nicht nur, welche Bäume schützenswert und damit zu erhalten sind. Die Satzung enthält als wichtige Ergänzung ein Beratungsangebot an Bauwillige und Gartenbesitzer. Deswegen greift der gern geäußerte Vorwurf der Bevormundung zu kurz. Ebenso wie der schnelle Verweis auf Ausgleichspflanzungen. Diese können im Einzelfall, wo es unumgänglich ist, einen Baum zu beseitigen, nötig sein.

Bis die jungen Schösslinge sich jedoch zu voller Größe entwickelt haben, vergehen Jahre. In Zeiten der Klimaveränderung brauchen wir aber die lebensspendende Kraft der ausgewachsenen Bäume – jetzt. Eine Baumschutzsatzung könnte helfen, sie zu erhalten.
Ingrid Jakobi, Reutlingen