„Ein Minister weigert sich“

Ulrike Selje  (BUND KV Reutlingen)

Leserbrief „Ein Minister weigert sich“
(Reform des Klimaschutzgesetzes auf Wunsch der FDP)
Veröffentlich in Reutlinger Nachrichten und GEA am 20.4.2024

Betrifft den Artikel: „Fahrverbote sind vom Tisch", 16.4.2024

Man stelle sich vor: Es gibt einen Paragrafen, der nur für Minister gemacht wurde. Doch ein Minister weigert sich, ihn zu befolgen. Er fordert, dass er geändert wird, und zwar so, dass er ihm passt. Und siehe da! Es funktioniert. Wo ist das geschehen? In einer Autokratie? Nein! Man will es nicht glauben, doch das ist eine wahre Geschichte aus dem Deutschland der Gegenwart.
2021 wurde das Klimaschutzgesetz verabschiedet. Dieses verpflichtet jeden klimarelevanten Sektor jährlich eine bestimmte Menge CO2 einzusparen. Ministerien, die ihr Ziel verfehlen, müssen Vorschläge erarbeiten, wie sie es erreichen. Damit soll Deutschland seinen internationalen Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaschutzabkommen nachkommen.
Das Gesetz musste aufgrund eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts sogar noch verschärft werden, weil es die jüngere Generation gegenüber der älteren benachteiligte.
Trotzdem zeigt der Verkehrsminister der Ampelregierung, Volker Wissing (FDP), wenig Interesse an CO2-Einsparungen. Obwohl er sein CO2-Einsparziel nun zum zweiten Mal verfehlte, um 13 Mio. Tonnen, lehnt er umsetzbare Sparmaßnahmen ab, weil sie nichts brächten. Dazu gehört das vom Umweltbundesamt berechnete Tempolimit, mit dem 6,4 Mio. Tonnen eingespart werden könnten, die Hälfte von dem, was der Verkehrssektor überschreitet. Diese Maßnahme ist auch noch kostenlos und schnell umsetzbar. Zudem ist Deutschland das weltweit einzige Industrieland ohne allgemeines Tempolimit.
Da die FDP darauf setzt, CO2-Einsparungen über den Preis zu erreichen (laut ihrer Homepage), könnte Wissing auch das Dienstwagenprivileg abschaffen. Mit dem Privileg werden schwere, schnelle, spritfressende Autos gefördert. Auch die im Koalitionsvertrag vereinbarte Steuerangleichung von Diesel an Benzin könnte er endlich umsetzen. Nicht nur die Bauern, auch PKW-Fahrer könnten eine höhere Dieselsteuer zahlen.
Doch statt endlich aktiv zu werden, verlangt der Verkehrsminister eine Gesetzesänderung. Und weil die Grünen nicht mitspielen wollten, drohte er mit einem Sonntagsfahrverbot. Dann stünden die Grünen wieder als die Querulanten da, die für Verbote statt für eine gemeinsame Politik stehen. Dabei ist die Fahrverbotsandrohung ein Armutszeugnis von Wissing, denn Fahrverbote wirken nur so lange, wie sie verhängt werden. Danach ist alles wie vorher.
Nachdem nun das Kabinett beschlossen hat, das Klimaschutzgesetz den Wünschen der FDP anzupassen, sollen die anderen Sektoren zusätzlich, zu ihren eigenen Einsparverpflichtungen, auch noch die Emissionen des Verkehrssektors stemmen. Was ist, wenn ihnen das nicht gelingt? Dann bricht Deutschland wieder einmal seine internationalen Verpflichtungen. Das ist mehr als peinlich.
Angesichts der seit Monaten steigenden Hitzerekorde ist das unverantwortlich. Es müsste so viel wie möglich an CO2 eingespart werden und nicht nur die vorgeschriebene Mindestmenge.
In einer Demokratie darf es nicht möglich sein, dass sich eine Regierung Gesetze, die sie befolgen muss, einfach so hinbiegt, wie es ihr gefällt – zum Nachteil des Klimaschutzes und damit zum Nachteil der Bevölkerung. Schließlich ist Klimaschutz, nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshof, ein Menschenrecht.
Ulrike Selje, Reutlingen

 

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