
In Metzingen sollen 25 alte Bäume verschwinden, für ein neues Ganztagesbad. Da Bäume überall gefällt werden, betrifft das Thema nicht nur Metzingen, sondern auch andere Gemeinden und Gartenbesitzer.
Mit jedem alten Baum, der beseitigt wird, verschwindet ein Lebensraum. Mit jedem zerstörten Lebensraum verschwinden Pflanzen, Tiere, Pilze und Einzeller. In der Summe verschwinden nicht nur Individuen, sondern ganze Arten. Der Artenschwund beschleunigt sich. Allein in Deutschland sind schon über 30.000 Tier- und Pflanzenarten ausgestorben oder davon bedroht. Dabei ist der Artenschwund für unser Überleben genauso gefährlich wie die Klimaerwärmung.
Besonders bedroht sind Insekten, weil sie nicht nur durch die Vernichtung von Lebensräume verschwinden, sondern auch, weil sie mit Hilfe von Insektiziden gezielt getötet werden.
Die meisten Insekten sind Pflanzenfresser und stehen an der Basis aller Nahrungsketten. Fehlen sie, wird eine Kettenreaktion ausgelöst, von der alle insekten- und fleischfressenden Tierarten betroffen sind, weil ihnen dann die Nahrung fehlt. Das trifft vor allem Vögel.
Wenn die Zahl der Insekten sinkt, verschwinden zahlreiche Pflanzen, weil sie nicht mehr bestäubt werden. Das gilt auch für unser gesamtes Obst und Gemüse. Wir Menschen müssen dann jede Blüte mit Pinselchen oder Drohnen bestäuben. Gesunde Nahrung wird selten und extrem teuer. Bunte Wiesenblumen verschwinden, denn die Wiesenkräuter werden nicht mehr bestäubt. Bestäubende Insekten sind Bienen, Hummeln, Wespen, Schmetterlinge samt ihren Kindern, den Raupen, Fliegen und Käfer.
In alten Bäumen, wie sie in Metzingen abgeholzt werden sollen, leben zahlreiche kleine, unscheinbare und unbekannte Tiere, die dafür sorgen, dass wir nicht durch die Tier- und Pflanzenleichen der Vergangenheit stapfen müssen. Sie fressen alle toten Lebewesen auf und machen aus ihnen, Hand in Hand mit Pilzen und Bakterien, Nahrung für Pflanzen. Nur so wird Erde dauerhaft und kostenlos fruchtbar. Nur so ist die natürliche Pflanzenfülle ohne Kunstdünger möglich. Diese kleinen, unscheinbaren Tiere sind verantwortlich für den Kreislauf der Stoffe.
Einige Menschen, darunter die Planer und Genehmiger des Metzinger Bad-Projekts, denken wohl, es sind doch nur ein paar alte Bäume. Davon gibt es noch genügend. Außerdem werden sie durch junge Bäume ersetzt. Doch diese Bäume brauchen mindestens zwanzig Jahre, bis sie sich zu gleichwertigen Lebensräumen entwickelt haben. Ob bis dahin ihre Nachkommen überlebt haben, weiß niemand.
Das traurige ist, dass die alten Bäume in Metzingen nicht wegen existentieller Gründe abgeholzt werden sollen, sondern weil ihr Erhalt für die Planer keine Priorität hat. Statt sie in das Bauprojekt zu integrieren, Ihren Entwurf an sie anzupassen, sollen sie verschwinden. Noch immer fehlt vielen Verantwortlichen das Wissen über die Gefahren durch den Artenschwund.
Wie lange können wir es uns noch leisten, dass die Natur immer weichen muss, nur weil sie irgendjemanden stört?
Wir haben schon Milliarden von Tieren und Pflanzen vernichtet, weil wir über viele Jahre hinweg immer mehr Lebensräume in Besitz genommen und Gifte in die Umwelt ausgebracht haben. Wir beanspruchen viel mehr Fläche, als wir wirklich brauchen.
Dabei verdrängen wir wichtige Glieder im Netzwerk der Natur. Wir greifen in Gleichgewichte ein, zerstören Abläufe und Zusammenhänge, obwohl wir noch viel zu wenig über die Folgen wissen.
Niemand weiß, wann wir an Kipp-Punkten ankommen, ab denen zu viele Nahrungsketten zusammengebrochen sind. Dann ist es zu spät, dann gibt es kein Zurück. Alles ist unwiederbringlich weg.
Und so sagte angeblich Albert Einstein: „Wenn die Bienen (bestäubenden Insekten) ausgestorben sind, dann hat der Mensch noch vier Jahr zu leben. Keine Bienen mehr, keine Pflanzen mehr. Keine Nahrung mehr, keine Menschen mehr“.
Wann leben wir Menschen endlich mit unseren Mitbewohnern in Frieden? Das Denken, alles würde sich nur um uns Menschen drehen, gehört der Vergangenheit an, denn wir sind Teil der Natur und brauchen sie zum Leben (im Gegensatz zu dem Ganzjahresbad).
Ulrike Selje